Wayag, Raja Ampat

Tauchsafari Raja Ampat Nord auf der Wellenreng

Februar/März 2024

Und täglich grüßt das Murmeltier: Irgendwie scheint auf Raja Ampat ein Fluch zu liegen, denn wie schon beim ersten Mal, schafft es auch 13 Jahre später unser Gepäck nicht bis Sorong, sondern bleibt dank der zweistündigen Verspätung des Qatar Airways-Fliegers in Jakarta liegen. Das ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass wir beim Umstieg auf Garuda Indonesia unser Gepäck einsammeln und neu einchecken müssen, obwohl alle unsere Flüge auf die gleiche Buchungsnummer gehen. Hat man nur noch eine Stunde Zeit, ist das wegen der langen Wege kaum zu schaffen. Also vielleicht besser eine Übernachtung einplanen! Das Problem scheint recht häufig aufzutreten, denn als wir am "Lost & Found"-Schalter in Sorong unsere Suchmeldung aufgeben, warten da schon ein Dutzend Menschen, die ihr gestern nicht angekommenes und heute nachgeliefertes Gepäck abholen wollen.

Tag 1: MO, 26.02., Sorong

Wenigstens der Transfer klappt reibungslos: Am Flughafen warten schon ein paar helfende Hände, die uns und unser leichtes Marschgepäck zu irgendeinem Pier in den weitläufigen Hafenanlagen Sorongs befördern, das ich als Kleinstadt in Erinnerung habe. Inzwischen leben aber 280.000 Menschen in der Hauptstadt der indonesischen Provinz Südwestpapua, die den nordwestlichen Zipfel Neuguineas einnimmt. Nach einer 10-minütigen Dinghyfahrt haben wir unser Ziel erreicht: Die 22 m lange Wellenreng ist ein im traditionellen indonesischen Pinishi-Stil gefertigtes Holzboot, das in drei Kabinen Platz für maximal sechs Gäste bietet. Nicht zufälligerweise sind das auf dieser Tour auch genau die sechs Traumtaucher, die vor eineinhalb Jahren zusammen in Französisch-Polynesien waren. Bei so wenigen Gästen ist es von Vorteil, wenn man die Mitreisenden vorher kennt, weswegen wir uns entschlossen haben, das Boot über Tauchertraum gleich komplett zu chartern.

Die Wellenreng verfügt auf dem Vorderdeck über einen gemütlichen Outdoor-Essbereich, in dem alle Mahlzeiten eingenommen werden. Auf dem nicht überdachten Mitteldeck kann man sich auf Liegen und Sitzsäcke knallen, um seine Haut von der tropischen Sonne verbrennen zu lassen. Hier ist auch ein Kayak verstaut, mit dem man in den Tauchpausen eine Runde drehen kann. Achtern findet man die überdachte Outdoor-Lounge, auf deren Couch man abends einen Cocktail schlürfen und den Blick über das Meer genießen kann. Es gibt auch innen einen kleinen Salon, der aber so gut wie gar nicht von den Gästen genutzt wird, sondern das Reich der Crew ist. Die drei Kabinen verfügen jeweils über ein eigenes Bad und eine individuell regelbare Klimaanlage, versprühen aber für meinen Geschmack nicht ganz so das Wohlfühl-Ambiente, wie ich es auf anderen Booten der gleichen Preisklasse schon hatte. Das Interieur wirkt für mich etwas rustikal und an der ein oder anderen Stelle kommt auch schon mal Feuchtigkeit durch, leider auch in den Schränken. Das mag bei einem Phinisi-Holzboot normal sein, aber wenn die Klamotten nass werden, ist das schon etwas lästig. Immerhin bieten die Kabinen reichlich Verstaumöglichkeiten, sodass man die feuchten Stellen nach ihrer Identifizierung meiden kann.

Roland, der österreichische, auf dem Boot lebende Besitzer der Wellenreng, telefoniert noch wegen unseres Gepäcks ein bisschen durch die Gegend, bevor wir uns mittags auf den Weg nach Nordwesten machen. Da die Wellenreng mit ihrer Reisegeschwindigkeit von 6 bis 7 Knoten (11-13 km/h) nicht gerade zu den Ferraris unter den Safaribooten gehört, benötigen wir gut 6 Stunden für die 70 Kilometer bis Waisai, dem Hauptort des gleichnamigen Distrikts im Süden von Waigeo. Hier gibt es auch einen Tauchshop, bei dem sich diejenigen, die unter der auf der Wellenreng vorhandenen Ausrüstung nichts Passendes gefunden haben, für morgen noch ein paar Tauchklamotten leihen. Getaucht wird auf der Wellenreng in der Regel 3x am Tag. Zusätzlich wird ein- oder zweimal die Woche ein Nachttauchgang angeboten. Bereit für den ersten Tauchtag geht es mit einem Schlummertrunk ins Bett.

Tag 2: DI, 27.02., Dampier Strait

Wir starten unsere Unterwasserexploration an einigen Plätzen in der Dampier Strait. Vor 13 Jahren war ich schon 2x an Mioskon, einer kleinen Insel südlich von Gam mit einem Unterwasserberg nebendran. Damals hatten wir abends einen Weltklassetauchgang mit Unmengen Fisch und am nächsten Morgen einen überschaubaren Abstieg. Der heutige fällt in die letzte Kategorie. Die Korallen sind ganz ok, der übliche Rifffisch ist vorhanden und die Highlights sind mit Orang-Utan-Krabbe und 2 Occis schnell aufgezählt. Unsere Suche nach Wobbegongs, die sich hier oft unter den Korallenblöcken verstecken, bleibt erfolglos.

Nicht weit entfernt von Mioskon befindet sich ein Unterwasserberg, der auf den verheißungsvollen Namen Blue Magic hört. Das bis auf 10 m unter die Wasseroberfläche reichende Riff präsentiert sich heute aber dank der schlechten Sicht Grau in Grau und die großen Fischschulen, die sich hier häufig auf der Strömungsseite des Riffs versammeln, sind auch nur zu erahnen. Selbstredend ist auch die Manta-Putzerstation auf der Ostseite des Riffs verwaist, sodass es heute nur für das Prädikat "nett" reicht.

Am westlichen Ende der Dampier Strait befindet sich unser letzter Platz für heute, den wir nach dem hervorragenden Mittagessen ansteuern. Beim Fusilier Reef, das auch auf den Namen "Lalosi" hört, ist der Name Programm: Kleingruppen unterschiedlicher Füsilier-Arten streunen über das schmale, langgestreckte Riff. Der Korallenbewuchs ist sehr schön; an einigen Stellen hat es wunderbare Tisch- und Fächerkorallen, in denen man nach Pygmäenseepferdchen Ausschau halten sollte, was wir auch mit Erfolg tun. Ein schlafender Wobbegong rundet diesen prima Tauchgang ab.

Wir tuckern die 35 Kilometer zurück nach Waisai, wo inzwischen unser Gepäck auf uns wartet, welches die Fähre von Sorong dorthin transportiert hat. Ab Morgen kann es also richtig losgehen, mit eigenem Gerödel taucht es sich doch etwas entspannter als mit so mittelmäßig passender Leihausrüstung.

Tag 3: MI, 28.02., Waisai, Kri, Mansuar

Bevor es aber wieder unter Wasser geht, sieht das Programm einen Landausflug vor. Es ist noch dunkel, als wir uns in aller Herrgottsfrühe mit ein paar einheimischen Guides in den Dschungel nördlich von Waisai begeben. Das Ziel der Exkursion sind Paradiesvögel, die man in der Morgendämmerung tanzen sehen kann – wenn man Glück hat. Leider ist uns selbiges nicht hold: Weder am ersten Beobachtungsposten, für den wir ein Baumhaus erklimmen müsssen, noch an dem mit Tarnnetzen im Dschungel versteckten zweiten Posten, lässt sich das bunte Federvieh sehen. Immerhin sind wir so schon in den Genuss eines 90-minütigen Spaziergangs durch den Regenwald gekommen. Wer weiß, wie lange es den noch gibt.

Nach vier Stunden sind wir zurück an Bord und machen uns ohne Umschweife auf den Weg nach Westen. Um 11:15 Uhr springen wir am legendären Spot Cape Kri ins Wasser. "Legendär" deswegen, weil der australische Ichthyologe Dr. Gerald Allen im Jahr 2012 hier 374 verschiedene Spezies während eines einzigen Tauchgangs gezählt hat! Einsamer Weltrekord, der kaum noch jemals irgendwoanders zu brechen sein dürfte. Da die Schreibtafel eh nicht groß genug ist (und wegen fehlender Motivation) sparen wir uns die Zählerei und schauen einfach, was wir auf unserem Weg am Hang entlang sichten. Es ist nicht ganz so viel los wie bei Dr. Allen, eine Schule Chevron-Barrakudas, ein Schwarzspitzenriffhai und Schnapperschwärme, so weit das Auge reicht. Zur Spitze hin nimmt die Strömung zu und beschert uns noch einen coolen Drift übers Riff. Wird langsam!

Nur ein paar Meter weiter gen Westen steht mit Yenbuba der nächste Platz auf dem Programm, benannt nach dem Dorf an der Ostspitze der Insel Mansuar. Wir starten am Pier des Dorfes, unter dem sich ein großer Schwarm Indopazifischer Sergeants zusammengerottet hat. Über ein riesiges Salatkorallenfeld, in dem sich ein Wobbegong versteckt hat, geht es tiefer. Die Makrofreunde unter uns erfreuen sich an zwei Pontohi-Pygmäenseepferdchen, Nacktschnecken und einem Mini-Skorpionsfisch, während sich die Weitwinkelfetischisten an den allgegenwärtigen Fischschulen erfreuen: Schnapper, Füsiliere, Doktoren und, und, und ziehen durchs Blau. Zum Ende präsentiert sich eine freundliche Kröte noch ganz fotogen und rundet diesen klasse Tauchgang ab.

Wegen des späten Starts in den Tauchbetrieb funktionieren wir den Nachmittagstauchgang zu einem Sunset Dive um und schauen, was sich bei untergehender Sonne am Sawandarek Jetty tummelt. Zuerst geht es runter zu einer mächtigen Salatkoralle, über der Süßlippen und Blaustreifenschnapper in Formation in der Strömung hängen. Vorbei an einem Urvieh von Stechrochen und einem gut genährten Barrakuda geht es zu einem kleinen Korallenfeld, über dem Unmengen Zwerglippfische herumwuseln. Das ist deswegen interessant, weil darunter auch einige Exemplare der Gattung "Paracheilinus" sind, die im Englischen "Flasher Wrasse" ("Blinker-Lippfisch") genannt werden. Diesen Namen verdanken sie dem Verhalten der Männchen während der Balz, bei der sie in leuchtenden Farben erstrahlen und gleichzeitig die Rückenflossen aufstellen und mit ihnen "wedeln" oder "blinken" (wie auch immer man es nennen möchte). Leider sind die Blinker hier gerade nicht in Stimmung, sodass das Spektakel mäßig atemberaubend ist. Vorbei an einer mörderisch mächtigen Mördermuschel tauchen wir am Jetty aus, wo die Fledermäuse steil gehen, als Guide Herry sein Fischtütchen öffnet und ein paar Brocken unter den Flossen verteilt. Ich genieße noch die düstere Atmosphäre zwischen den Pylonen des Jettys und blicke verträumt dem davonstürmenden Schwarzspitzenriffhai nach, bevor ich den klasse Tauchgang beende.

Nach dem langen Tag lassen wir uns das Abendessen, das Chef "Melkie" wieder zaubert, besonders schmecken. Solange er für die Küche verantwortlich ist, hat man bezüglich Verpflegung nichts zu befürchten, das Essen auf der Wellenreng ist hervorragend!

Tag 4: DO, 29.02., Yangeffo

Früh um 6 Uhr springen die Maschinen an und wir fahren von unserem Ankerplatz vor Mansuar die 25 km rüber nach Yangeffo, einer kleinen Insel vor der Westspitze Gams, die durch einen Kanal von ihrem großen Nachbarn getrennt ist, und auch unter dem Namen "Janggelo" firmiert. Rund um die Insel befinden sich einige Tauchplätze, die ich ebenfalls von vor 13 Jahren schon kenne. Den Anfang macht die Citrus Ridge, ein Unterwassersattel am Nordende des Kanals. Beim Abtauchen begleitet uns direkt eine Barrakudaschule, die von einigen zutraulichen Fledermäusen unterstützt wird. Der Sattel ist schön mit Weichkorallen bewachsen. Wir sichten einen Wobbegong, der es sich auf einer Kelchkoralle gemütlich gemacht hat. Ein Kumpel von ihm hat sich in der Wand verschanzt. Mein Erkundungsdrang wird nach 35 Minuten jäh von den Luftblasen gestoppt, die an vier Stellen meinen Inflatorschlauch verlassen. Mir ist völlig schleierhaft, wie das über Nacht passieren kann, hat da jemand seine Steigeisen auf meinem Lungenautomaten gelagert? Es hilft aber alles nichts, mit einem vierfach punktierten Inflatorschlauch möchte man nicht in 25 Meter Tiefe auf einem Strömungstauchgang unterwegs sein, weswegen ich den Tauchgang vorzeitig beende. So bleiben mir die fünf Mobulas verwehrt, die am Ende noch um den Rest der Truppe kreiseln.

Weiter geht es an Mayhem, einem Unterwasserplateau westlich von Yangeffo. Wir dümpeln recht lange unten am Fuße des Riffes entlang, was eine ziemlich blöde Idee ist, denn das Riffdach 15 m höher ist einfach fantastisch: Intakte Steinkorallen, wo man nur hinschaut. Der Blick unter die vielen Tischkorallen lohnt sich, denn unter einer finden wir tatsächlich einen schlafenden Epaulettenhai. Im Englischen wird er wegen seiner eigentümlichen Fortbewegungsart auch "Walking Shark" genannt, da er gerne auf seinen Brustflossen durchs Korallenriff läuft. Leider kriegen wir dieses Schauspiel nicht zu sehen, denn der Hai ist offenbar sehr müde und streckt uns nur etwas unmotiviert sein Hinterteil entgegen. Schade, aber vielleicht haben wir ja im weiteren Verlauf der Safari noch mehr Glück.

Der Nachmittagstauchgang findet an der Mangrove Ridge statt, einer Unterwasserzunge auf der Westseite des Kanals zwischen Yangeffo und Gam. Der Platz bietet reichlich Makromotive, von Nacktschnecken über Sepien und Xeno-Krebsen bis hin zu den schon erwähnten "Blinker-Lippfischen". Man sollte nur aufpassen, dass man bei der oft starken Strömung nicht die Gruppe verliert, denn ansonsten kann es schnell passieren, dass man falsch abbiegt und am anderen Ende des Riffs auftaucht, sodass man ein paar der Motive verpasst, die der Guide noch findet. Ich spreche da aus Erfahrung.

Zum Tagesabschluss ist "Exploration Night Dive" irgendwo vor der Südküste Yangeffos angesagt. Direkt zu Beginn kreuzt ein Wunderpus-Oktopus unseren Weg, der, genau wie der ähnlich gefärbte Mimik-Oktopus, gefährliche Meeresbewohner wie Seeschlangen und Rotfeuerfische nachahmt, um sich vor Fressfeinden zu schüzen. Eine fette Gehäuseschnecke, die laut Herry auch häufig in indonesischen Bratpfannen endet, vollführt eine Schraube im Sand und animiert uns zu dem Namen, den wir dem Platz anschließend geben: Dicke Berta. Ich bin allerdings skeptisch, dass der Platz bleibenden Eindruck hinterlässt und in die Hall of Fame der Tauchplätze Raja Ampats Einzug finden wird.

Nach dem letzten Tauchgang setzen wir umgehend die Segel. Knapp 100 km sind es bis Wayag, ganz im Norden Raja Ampats gelegen. Eine lange Nachtfahrt liegt vor uns.

Tag 5: FR, 01.03., Wayag

Dass wir bei unserer Nachtfahrt den Äquator überqueren, wäre schon eine Erwähnung wert gewesen, finde ich, auch wenn es aufgrund der nachtschlafenden Zeit natürlich keine Äquatortaufe gibt. Um 8 Uhr morgens erreichen wir Wayag (wahlweise auch "Waiag" oder "Wajag"), auf das ich mich ganz besonders gefreut habe. Nicht wegen des Tauchens, sondern wegen der Überwasserszenerie, die ich von Fotos kenne und bei mir direkt Fernweh auslöst. Das Südseefeeling wird zwar noch von den dunklen, schweren Regenwolken getrübt, die tief über den Inseln hängen, aber dennoch ist das Panorama paradiesisch: Die dicht bewachsenen, kuppelförmigen Inseln erinnern an Palau und schreien förmlich nach einer Landexkursion, für die wir aber auf besseres Wetter warten.

Wir konzentrieren uns zunächst auf den Südosten der Insel und ankern in der Bucht zwischen Wayag und der benachbarten Pulau Stephanie. Geschützt vor den von Nordosten hereinrollenden Wellen liegt hier der Tauchplatz Bommie Bowl. Beim Abtauchen springen direkt ein riesiges Feld Geweihkorallen und ein paar Blöcke mit schönen Fächerkorallen ins Auge. Des Weiteren fällt auf, dass es deutlich weniger Fisch hat als an den Plätzen in der Dampier Strait. Wir begnügen uns daher mit ein paar fetten Langusten, sowie kleinen Krebschen und Nudis, weswegen der Start in den Tag von mir nur ein "Ok-ish" bekommt.

Nach dem Frühstück soll es eigentlich zum Cathedral Rock gehen, der relativ exponiert vor der Ostküste Wayags im Meer herumsteht. Der Platz ist für seine Fisch-Action und seinen außergewöhnlichen Einstieg bekannt: Man taucht ab durch ein schornsteinartiges Loch im Riff, das sich zu einem mit Korallen und Anemonen verzierten Bogengang öffnet. Bei der Ankunft am Tauchplatz müsen wir aber zu unserem Leidwesen feststellen, dass die Wetterbedingungen den Tauchgang heute unmöglich machen: Die starke Dünung würde uns wahrscheinlich durch den Kamin direkt wieder ausspucken und auf die Felsen schmeißen. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als zurück in die Bucht zu fahren und den Tauchgang von heute Morgen zu wiederholen. Zum Glück ist Bommie Bowl riesig, sodass wir einfach in die andere Richtung tauchen, um etwas Abwechslung ins Spiel zu bringen. Auch in dieser Richtung hat es prächtige Korallen und wenig Fisch. Eine Schule Gelbrücken-Füsiliere und ein Schaukelfisch schaffen es als einzige ins Logbuch.

Noch vor dem Mittagessen wechseln wir die Stellung und verlegen das Boot in den Westen Wayags zu einem Ankerplatz inmitten einer geschützten, weitläufigen Bucht, die wir mit niemandem teilen müssen. Am Westende dieser Bucht liegt mit Tanjung Putus eine Manta-Putzerstation, die wir am Nachmittag unter die Flossen nehmen. Nach kurzem Dümpeln über den Sand fliegt auch schon der erste Riesenrochen an uns vorbei, weswegen wir uns geschwind hinhocken und bei der leider etwas diesigen Sicht das Geschehen an der Putzerstation verfolgen. Der erste Manta mit "Chevron"-Musterung bekommt Gesellschaft von einem komplett schwarzen "Black Manta". 20 Minuten lang drehen sie ihre Kreise, bis sie sich sauber genug fühlen und wieder in die Tiefen der Halmaherasee entschwinden. Wir entschwinden auch und begutachten noch die fantastische Korallenlandschaft in der Umgebung der Putzerstation, bevor wir auftauchen und alsbald mit einem Kaltgetränk in der Lounge auf den gelungenen Tag anstoßen.

Tag 6: SA, 02.03., Wayag

Da der Himmel am Morgen ein paar Wolkenlücken zeigt und für den Nachmittag wieder Dauerregen angesagt ist, versuchen wir unser Glück und brechen um 8:40 Uhr auf zu unserer Lagunentour inklusive Landexkursion. Nach einer 15-minütigen Bötchenfahrt durch die pittoreske Lagune wird es anstrengend: Wir halten an einer der Pilzinseln, um selbige zu erklimmen und die Aussicht zu genießen. Anfangs gibt es überhaupt keinen Weg, mittels Leiter und Seil geht es steil das scharfkantige Karstgestein hinauf, das mit vernünftigen Schuhen aber gute Tritte bietet. Danach folgen wir einem matschigen Trampelpfad bis auf den Gipfel der Insel, wo wir nach der 20-minütigen, schweißtreibenden Kraxelei, die sicherlich nicht jedermanns Sache ist, mit einem fantastischen Panorama über die Inselwelt Wayags belohnt werden. Als ob Petrus uns erhört hätte, reißt auch pünktlich die Wolkendecke weiter auf und lässt die Inseln in sattem Grün und das Meer in azur und türkis erstrahlen. Knaller!

Eigentlich können wir uns nicht satt sehen, zumal wir Glück und die Aussicht für uns alleine haben. Aber da es ja heute auch noch ein Tauchprogramm gibt, machen wir uns nach einer Dreiviertelstunde auf dem Gipfel an den Abstieg. Der geht bis auf ein paar Schrammen und Schürfwunden unfallfrei vonstatten, sodass wir um 10:15 Uhr wieder im Dinghy sitzen. Der Fahrer dreht noch eine Extrarunde und kurvt durch die Lagune, die wir eben noch von oben bestaunt haben. Wayag ist eine Augenweide, es sieht tatsächlich aus wie in den Rock Islands von Palau, gut 900 km nordöstlich von hier. Hoffen wir, dass das noch lange so bleibt, trotz der zunehmenden Zahl an Touristen, die für ein schnelles Insta-Selfie in 3 bis 4 Stunden mit dem Schnellboot von Sorong oder Waisai hierherkommen. Auch ein Grund, warum man besser morgens kraxelt.

Nach insgesamt knapp 2 Stunden sind wir zurück auf der Wellenreng und begeben uns nach viertelstündiger Trinkpause in die Tauchklamotten. Wie gut die Entscheidung für die Lagunentour war, zeigt sich kurz darauf auf unserem Weg zum Far Out Rock: Innerhalb weniger Minuten hat sich der Himmel zugezogen und jetzt gießt es Bindfäden. Auch hat es wieder eine starke Dünung und ordentliche Brecher knallen gegen den Fels. Die Bedingungen sind aber beherrschbar, sodass wir springen und uns in der Folge an Schulen von Barrakudas, Großaugenmakrelen, Doktoren, Füsilieren und Süßlippen erfreuen. Bei recht kräftiger Strömung kämpfen wir uns um den Fels, an dessen Rückseite ein paar Büffelkopf-Papageien herumtollen und einige Anemonenfische genauso mit den Bedingungen zu kämpfen scheinen wie wir. Insgesamt ein sehr schönes Ding, dieser Weit-Draußen-Felsen, nach dem wir uns das Mittagessen redlich verdient haben!

Gut gestärkt geht es um 15:30 Uhr wieder ins Wasser. Auf halbem Weg zum "Far Out Rock" steht der Figure Eight Rock, der auf den ersten Blick wie zwei getrennte Inseln aussieht. Diese sind jedoch über eine schmale Felsbrücke miteinander verbunden. Wir springen im Südwesten, wo es in 20 Meter Tiefe ein breites Plateau hat, wohingegen der Norden und Osten Steilwände sind. Wir paddeln über und an dem Plateau hin und her, das aber leider zum allergrößten Teil aus Bruch und Trümmern besteht. Auch Fisch hat es nur so mittelmäßig viel. Erst in den letzten 15 Minuten gehen wir höher und was erblicken unsere Augen da? Oberhalb von 10 Metern hat es wunderbare Steinkorallen und schöne Fächer, über den Wolken von Fahnenbarschen stehen! Warum turnen wir denn dann die ganze Zeit da unten auf dem Schrottplatz herum? So wird es leider der bisher schwächste Tauchgang des Trips, obwohl wir es anders hätten haben können.

Wegen der fortgeschrittenen Zeit wird der dritte Tauchgang heute ein Nachtausflug: Wir schauen, was sich an der Mantastation des Nachts so tut, wobei ich mich frage, wie gut man in dunkler Nacht einen Black Manta wohl sehen kann? Das Ziel sind aber gar nicht die Mantas, denn nachts kommt hier haufenweise Makrozeug aus seinen Löchern, nach dem wir im Sand auf die Suche gehen. Eine von zwei Berrys Stummelschwanzsepien ist darüber nicht amüsiert und spritzt mich mit Tinte voll. Bin ihr im Eifer des Gefechts wohl zu nah auf die Pelle gerückt. Außerdem sichten wir noch Dekorateur-Spinnenkrabben, hübsche Nacktschnecken, ein Zwergnadelpferdchen und einen rot-orangen Hairy Shrimp, den ich ohne Herry nie gefunden hätte. Quasi also Herrys Hairy Shrimp. Egal. Es zeigt sich jedenfalls, dass ein klasse Manta-Platz auch ein toller Makroplatz sein kann. Mit Blitz wären die Fotos sicher was geworden, aber wer seine Akkus nicht rechtzeitig auflädt, muss auch bestraft werden.

Wir bleiben den Großteil der Nacht noch in der Bucht liegen und dampfen in den frühen Morgenstunden ab in die Richtung, aus der wir gekommen sind: Die nächste Station ist das auf halbem Weg zwischen hier und Waigeo liegende Kawe.

Tag 7: SO, 03.03., Kawe, Alyui Bay

Nach zwei Stunden Fahrt erreichen wir die 46 km² große Doppelinsel Kawe und tuckern an ihrer Westküste entlang gen Süden. Nach einer weiteren Stunde stoppen wir für unseren ersten Tauchgang: Der schwarze, zerklüftete Black Rock ist ein etwa eineinhalb Kilometer westlich von Kawe, in der Meerenge zwischen Kawe und Balabalak gelegener Felsen, der ein oder zwei Meter über die Wasseroberfläche ragt. Als wir an der Westseite des Felsens springen, bekomme ich erstmal einen Schock: "Karte schreibgeschützt" leuchtet es mir vom Kamera-Display entgegen. Kein Fehler ist dumm genug, als dass er nicht auch nach knapp 2000 Tauchgängen noch begangen werden kann! Immerhin muss es so ja ein Knaller-Tauchgang werden, denn eine alte U/W-Fotografen-Weisheit besagt, dass man die besten Tauchgänge hat, wenn man nicht knipsen kann.

Wir schwimmen an der Westseite entlang gen Norden und bewundern den schönen Korallenwald, der auch ein paar Schwarze Korallen beherbergt. Aus mir nicht ganz erfindlichen Gründen drehen wir nach 20 Minuten um und schwimmen bei jetzt leichter Gegenströmung gen Süden. Lange müssen wir nicht paddeln, denn plötzlich dreht die Strömung und schiebt uns um die Südspitze herum in eine fantastische, sehr vielfältige Korallenlandschaft: Weichkorallen, Steinkorallen, Fächerkorallen, alles ist in bestem Zustand vertreten! Neben mir knabbert ein Büffelkopfpapagei in einer Armlänge Entfernung an einem Korallenblock herum und lässt sich nicht stören, genausowenig wie die frühstückende Karettschildkröte, die uns nicht eines Blickes würdigt. Überhaupt hat es viel Fisch, der eigentlich gerne dokumentarisch festgehalten worden wäre. So muss einer der Top-3-Tauchgänge des Trips einfach ohne Erinnerungshilfe im Gedächtnis bleiben.

Gerne hätte ich den Schwarzen Felsen noch ein weiteres Mal getaucht, aber die Mehrheit entscheidet sich für die Weiterfahrt. 8 Kilometer weiter wartet mit den Eagle Rocks aka "Batu Elang" der nächste Top-Platz auf uns. Genau genommen sind es mehrere Plätze rund um die 4 Kilometer südlich von Kawe gelegenen drei Felsen, unter denen wir uns für einen Platz entscheiden müssen. Die Wahl fällt auf den östlichsten Felsen, an dessen Nordwestecke wir einsteigen. Sofort sind wir umringt von großen Schulen unterschiedlicher Füsilierarten, wobei die Gelbrücken-Füsiliere eindeutig die Oberhand haben. Das Korallenriff ist ähnlich fantastisch wie am Black Rock, vor allem auf den oberen 10 Metern, und besteht vorwiegend aus Steinkorallen mit ein paar Weichen dazwischen. Wir driften mit der Strömung und mit offenem Mund entlang der Nordseite nach Osten und hoffen noch auf eine der hier häufigen Mantabegegnungen, aber umsonst. Für Mantas wäre wohl auch der mittlere Felsen die bessere Wahl gewesen, denn an dessen Südseite befindet sich eine Putzerstation. Auch ohne die Riesenrochen war dies aber ein toller Tauchgang, der in bester Erinnerung bleiben wird.

Mit Tauchgang Nummer 2 ist unsere Kawe-Erkundung auch schon wieder Geschichte, denn vom Eagle Rock ist es nur ein Katzensprung in die Alyui Bay, die den Nordwesten Waigeos einnimmt und für den Rest des Tages und morgen unsere Basis sein wird. In der weitläufigen Bucht befinden sich mehrere Inseln, die durch mehr oder weniger breite Kanäle voneinander getrennt sind. Südlich der drei größten Inseln (Pulau Rayo und zwei Namenlose) liegt mitten im Kanal die kleine Pulau Tengah, was so viel wie "Insel in der Mitte" bedeutet. Die Insel firmiert außerdem noch unter dem Namen "Channel Island" und hält an ihrer Südwestspitze einen Tauchplatz parat, den wir am Nachmittag unter die Lupe nehmen. Beim Sprung ins Wasser frage ich mich kurz, ob ich angesichts der 5 m Sicht im Fühlinger See gelandet bin, kann das aber nach kurzem Blick auf den mit prächtigen Weichkorallen bewachsenen Hang, der Richtung Westen immer steiler wird und an einigen Stellen senkrecht abfällt, ausschließen. Bei klarer Sicht ist das hier mit Sicherheit ein Weitwinkelparadies, aber auch Makrofotografen können auf ihre Kosten kommen, wie das juvenile (weil dunkle) Bargibanti-Pygmäenseepferdchen, das Herry aufspürt, beweist. Trotz der verbesserungswürdigen Sicht ist das ein klasse Tagesabschluss und macht mehr Lust auf die Alyui Bay in Woche 2.

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