Backpacking durchs südliche Afrika

November 2004-März 2005

Woche 6, 28.12. - 03.01.: Kapstadt

Eigentlich ist Woche 6 in Kurzfassung schnell erzählt. Da ich alle wesentlichen touristischen Überwasseraktivitäten, die mich interessieren, durch habe, aber vor Neujahr Kapstadt nicht Richtung Provinz verlassen will, da es sich in Kapstadt sicherlich besser feiern lässt, vergeht die Woche grundsätzlich mit Tauchen, Essen, Kneipe, Schlafen. Wie gesagt - grundsätzlich, denn in Woche 6 schlägt der Südafrika-Faktor mal wieder voll zu. Aber der Reihe nach:

Ich beginne die Woche mit Shopping und kaufe mir ein Paar neue Laufschuhe. Mein altes Paar wurde ja am Okavango Delta Opfer von Provinzdieben. Nachmittags geht's zum Tauchen an die Twelve Apostles, einem schönen Platz nahe Camps Bay, im Süden Kapstadts. Der Tauchgang macht Spaß, die Robben sind in Laune und vollführen ein paar gekonnte Unterwassersaltos. Wir sind auch in Laune, die uns aber vergeht, als wir zum Tauchbus zurückkehren, den wir an der Landstraße auf dem Seitenstreifen abgestellt haben. Die Seitenscheibe ist eingeschlagen und alle Tagesrucksäcke geklaut - und meine neuen Laufschuhe, die ich gerade vor 4 Stunden käuflich erworben habe. Das war vermutlich die kürzeste Zeit, die je ein Mensch im Besitz von Laufschuhen war, ich könnte kotzen. Ansonsten scheine ich diesmal glimpflich davon gekommen zu sein, im Gegensatz zu den Mittauchern, bei denen Handies, Geld und teure Brillen fehlen. Auf Anhieb fällt mir nur ein, dass in meinem Rucksack ein Ersatzakku für die Kamera sowie eine leere Speicherkarte war, damit kann ich leben. Meine Shorts mit etwas Geld und der neuen Kreditkarte haben sie diesmal nicht angerührt. Allerdings wage ich nicht daran zu denken, was mir in den nächsten Tagen noch an Gegenständen einfällt, die noch in dem Rucksack waren. Einigermaßen angepisst schlage ich wenig später mit einem Sixpack Bier im OVC auf, wo ich mich mit den werten Ex-Mitbewohnern anständig betrinke.

Beim Tauchen in der False Bay am nächsten Tag fallen mir schon mal noch weitere Gegenstände ein, in deren Besitz ich seit gestern nicht mehr bin: eine kleine Backup-Lampe für Nachttauchgänge und mein Tauchlogbuch mit den letzten 100 Tauchgängen, argh. Es wird langsam wieder ärgerlich, aber noch immer kein Grund, mir die abendliche Karaoke Party im Long Streets Cafe vermiesen zu lassen.

Am nächsten Tag, es ist der 30.12., halte ich es für eine gute Idee, mich mal nach einer Bleibe für Silvester und Neujahr umzuschauen. Kapstadt ist nämlich in diesen Tagen komplett überfüllt und morgen früh werde ich auch mein Bett im "The Backpack" räumen müssen. Ich spreche im "The Lennox" vor, wo es tatsächlich noch ein freies Bett gibt. Als mich das nette Fräulein nach meiner ID fragt, läuft es mir abwechselnd siedendheiß und eiskalt den Rücken runter: Heilige Scheiße, mein Reisepass war ja auch in dem vorgestern geklauten Rucksack. Schlagartig verschlechtert sich meine Laune auf den Gefrierpunkt, ich habe nichts mehr, womit ich mich noch ausweisen kann. Ich wetze also ins nächste Internet-Cafe, um einen Ausdruck von dem Foto des Reisepasses zu machen, das ich im Internet hinterlegt habe. Dann flugs das Konsulat angerufen, aber die Dame erklärt mir, dass vor Montag, also dem 03.01., dicht ist und gar nichts geht. Außerdem müsse ich auf jeden Fall zur Polizei, da sie die sog. Case Number, also das Aktenzeichen brauchen. Das werden spaßige Behördengänge und ich beginne, dieses Land zu hassen.

Am Silverstermorgen muss ich mein Dorm-Bett im "The Backpack" räumen. Wegen der großen Nachfrage hat die Hostel-Leitung aber netterweise ein paar Bänke und Sofas, die auf den Fluren des Hostels herumstehen, kurzerhand zu Zusatzbetten umfunktioniert. So werde ich also die nächsten beiden Nächte in einem Hostel-Flur hausen, aber immer noch besser, als irgendwo auf der Straße zu hocken. Man merkt erst, wie wichtig ein festes Dach über dem Kopf ist, wenn man kurz davor steht, keins mehr zu haben ... Nachmittags renne ich erstmal zur Polizei im City Bowl, um meine Anzeige aufzugeben. Die Kollegen erklären sich aber für nicht zuständig und eröffnen mir, dass ich zur Polizeistation in Camps Bay muss. Oh Mann, ich glaube zwar eher, die wollen sich hier am Silvesternachmittag nicht noch Arbeit machen, aber alles Diskutieren hilft nichts. Etwas angenervt mache ich mich wieder mit einem Sixpack ins OVC auf, wo ich unvermuteterweise zum Braai eingeladen werde, in dessen Verlauf ich gezwungen werde, etliche Springboks (Pfefferminzlikör mit Amarula) in mich reinzuschütten. Schon ziemlich angetütet ziehen wir dann abends los, um den Silvesterumzug auf der Wale Street zu schauen. Der ist aber für meinen Geschmack relativ erbärmlich, da ist jeder Karnevalsumzug in einem deutschen Provinzkaff aufregender. Wegen der vielen Tsunami-Opfer verzichtet die Stadt dieses Jahr auch auf ein offizielles Feuerwerk, sodass der Rutsch ins neue Jahr eher ruhig vonstattengeht. Weniger ruhig ist es in den Pubs und Clubs auf der Long Street, die wir der Reihe nach abklappern, bis der Anfang des neuen Jahres schließlich morgens um 4 im Jo'burg ein Ende nimmt.

"Scheiß Sauferei" denke ich am nächsten Morgen und verziehe mich von meiner unbequemen Holzbank im Flur auf eine gemütliche Couch am Pool, wo ich bis um 17 Uhr weiterpenne. Das reicht mir als Energieleistung für den Neujahrstag.

Nachdem sich der Kater von Silvester gelegt hat, kann ich am 2.1. wieder tauchen gehen. Wegen starken Windes können wir nicht mit dem Boot rausfahren und es geht wieder zu den Twelve Apostles, seit dem Wochenanfang mein neuer Lieblingsplatz ... Allerdings hat das den unschlagbaren Vorteil, dass ich nach dem Tauchen direkt zur Polizei hier rennen kann. Nach 10 Minuten habe ich das Original meiner Aussage und die Case Number in den Händen. Das Original brauche ich, damit ich bei der Ausreise nachweisen kann, dass mein Pass gestohlen wurde, der ja mein Visum enthält. Ich beginne zu überlegen, ob dies auch eine Möglichkeit gewesen wäre, meinen Aufenthalt über die 90 Tage hinweg zu verlängern. Einfach kurz vorher den Pass verlieren und schon gibt's einen neuen frischen Pass ohne Visumsinformationen beim deutschen Konsulat. Ich bin mir allerdings nicht sicher, inwieweit man auch in Südafrika inzwischen so weit ist, die Einreisedaten elektronisch zu speichern. Spätestens bei der Ausreise könnte das dann ziemlichen Ärger geben.

Den Wochenabschluss beginne ich dann mit meiner 2. Lieblingsbeschäftigung neben Tauchen: Behördengänge. Um 9.30 Uhr stehe ich beim deutschen Generalkonsulat im Safmarine House auf der Matte. Lange muss ich nicht warten, dann kommt der Schock: 1 Woche wollen sie für den Pass brauchen. Hallo, andernorts kann man das Gerät gleich mitnehmen. Das Problem ist, dass ich keinen anderen Lichtbildausweis mehr habe und sich das Konsulat daher erst mit dem Einwohnermeldeamt im schönen Köln-Nippes in Verbindung setzen muss. Angesichts von lediglich einer Stunde Zeitverschiebung zwischen Köln und Kapstadt sollte das doch aber eigentlich kein Problem sein, denke ich naiverweise. Nach Aufsetzen von Hundeblick und penetrantem Betteln, für das ich mich selbst verabscheue, handel ich die Sachbearbeiterin dann immerhin auf übermorgen runter. Na geht doch. Da tauchtechnisch heute nichts mehr läuft, verbringe ich den Rest des Tages mit der Organisation meines Abmarsches aus Kapstadt. In drei Tagen werde ich Richtung Hermanus aufbrechen und am folgenden Tag dann beim Haitauchen in Gansbaai sein. Mit der Vorfreude auf eine spannende kommende Woche, beschließe ich eine suboptimale 6. Woche mit dem Besten, was man abends in Kapstadt tun kann: mit einer Kneipentour.

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