Pelikan-Barrakudas vor Malpelo

Tauchsafari Malpelo auf der Inula – Woche 2

August 2008

Tag 8: DI, 12.08.

Die drei Musketiere bei typischem Malpelo-"Es gießt Bindfäden"-Wetter. Der kleine Felsen links heißt "D'Artagnan". So sehen sie schon freundlicher aus. Woche 2 unserer Malpelo Tauchsafari startet nach schnellem "Hallo wach"-Kaffee mit dem Strömungscheck. Nachdem wir gestern wenigstens bei einem Tauchgang ordentlich paddeln mussten, sieht es heute nach kompletter Flaute aus. Die zum Test ins Wasser geworfenen Orangenschalen bewegen sich nicht einen Millimeter vom Boot weg - schlechte Bedingungen für Großfischbegegnungen. Völlig unentmutigt springen wir kurze später trotzdem über der Wüste ab, der erste Tauchplatz heißt El Sahara. Der Name rührt von der ausgedehnten Sandfläche, die sich hier in 50 m am Meeresboden findet - nicht gerade ein Alleinstellungsmerkmal im offenen Ozean. Neben Sand soll man hier auch Hammerhaie finden, wir sehen jedoch leider nur ein paar vereinzelte Exemplare. Nach 15 Minuten Tauchzeit treffen wir auf eine riesige Höhle, die jedoch nicht weiter erkundet wird. Eine Weißspitze, zwei Seidenhaie und ein paar Galapagoshaie machen sich aus dem Staub, als wir um die Ecke biegen. Beim Sicherheitsstopp begegnen wir noch einem Wahoo und einigen Milchfischen, die direkt unter der Wasseroberfläche herumdümpeln.

Die Inula an der nördlichen Mooring vor Malpelo Das Heck ist vollgestopft mit Tauchtechnik und "No Go Zone" Dem eher mittelprächtigen Start folgt ein ausgedehntes Frühstück, bei dem wir uns für den zweiten Tauchgang stärken. Der findet im Kühlschrank statt, La Nevera heißt der Spot. Hierbei handelt es sich um eine Bucht an der Westseite Malpelos, an der oft Großfische entlang patrouillieren. Das Südende der Bucht ist geprägt von senkrecht abfallenden Felswänden, die nach Norden hin in einen 45 Grad abfallenden Hang übergehen. Dort postieren wir uns erstmal auf einer kleinen Terrasse und schauen dem Treiben zu. Einige Galapagos- und Hammerhaie schwimmen herum, halten jedoch immer einen für unseren Geschmack viel zu großen Sicherheitsabstand ein. Wir ziehen weiter und erfreuen uns einer Horde von Ozelot-Zackenbarschen und einigen Perlhühnern. So richtig viel passiert nicht, bis kurz vor Schluss doch noch eine Schule von 40 Hammerhaien vorbeizieht. Beim Sicherheitsstopp holen wir uns schon mal Appetit fürs Mittagessen und schauen einer Gruppe von Stahl-Pompanos beim Dinieren zu.

Nachdem das Mittagessen verdaut und sich die müden Äuglein nach dem Mittagsschläfchen wieder öffnen lassen, statten wir am Nachmittag den drei Musketieren einen Besuch ab. Los Tres Mosqueteros heißt der dritte Platz heute. Diese drei, schön in West-Ost-Richtung aufgereihten Felsen stehen am Nordende Malpelos, gerade mal 2 Minuten Fahrt von unserem Mooringplatz entfernt. Nach dem Sprung ins Wasser sehe ich vor lauter Fisch kein Wasser mehr - Tonnen von Großaugen-Stachelmakrelen haben sich versammelt und schwimmen paarweise zusammen. Dazwischen haben sich einige mächtige Brummer von Bernsteinmakrelen gemischt. Die Hunderte Galapagos-Grunzer beachte ich schon gar nicht mehr, dafür liefern jede Menge Blau-Gold-Schnapper hübsche gelbe Farbtupfer zwischen all den vielen silbrigen Fischen. Wir schwimmen an der Nordseite der Felsen entlang und schauen einigen Adlerrochen zu, die leichtflüglig in der Strömung stehen. Davon können wir nur träumen, wir müssen ziemlich pumpen und lassen uns schließlich lieber zur Südseite rübertragen und statten D'Artagnan Rock einen Besuch ab, der ein paar Meter neben den Musketieren vereinsamt herumsteht. Spektakuläres ist allerdings hier nicht zu sehen, nur die vielen gelben Falterfische sorgen für etwas Bewegung. Spektakulär ist dagegen der strahlende Sonnenschein, der uns nach dem Tauchgang an der Oberfläche erwartet. Da Arvid nicht erwartet, dass wir während der Tour noch oft in diesen Genuss kommen werden, schlägt er vor, direkt noch eine kleine Schlauchbootfahrt um die Insel zu machen, damit die Herren und Damen Fotografen den Hochseefelsen von seinen besten Seiten ablichten können. Der Vorschlag wird natürlich sofort in die Tat umgesetzt.

Video: Los Tres Mosqueteros [01:45 min], © Sylvia Maisser

Unsere slowenischen Mittaucher gehen heute wieder Nachttauchen, ich bin jedoch nicht richtig motiviert und muss auch nicht den ganzen Bootsbetrieb durcheinander bringen. Koch Jorge, der immer für vorzügliches Essen sorgt, ist nämlich Frühschlafengeher und die Nachttauchaktion verzögert halt das Abendessen um fast 2 Stunden. Da ich verstärkt wegen der Hammerhaischulen hier bin und diese sich nachts etwas schwer ausmachen lassen, lasse ich daher Nachttauchen Nachttauchen sein und lese lieber ein gutes Buch oder kommuniziere mit den anderen Anti-Nachttauchern.

Tag 9: MI, 13.08.

Hier fährt der Chef noch selbst. © Sylvia Maisser Bei ausbleibenden Großfischbegnungen kann der Sicherheitsstopp mit Aus- und Ankleideübungen immerhin noch sinnvoll genutzt werden. Morgens um 4 wache ich auf, weil ich draußen ein vertrautes, prustendes Geräusch vernehme. Und tatsächlich: 30 m vom Boot entfernt ziehen zwei Buckelwale im Mondschein vorbei. Gut zu wissen, dass sie hier sind, wenn wir ganz viel Glück haben, können wir vielleicht noch welche unter der Wasseroberfläche beobachten. Drei Stunden später heißt es raus aus der Koje und rein ins Wasser. Der 1. Platz heute heißt Scuba (sehr einfallsreicher Name für einen Tauchplatz) und liegt ganz im Süden Malpelos. Die Wände dieses alleinstehenden Felsen fallen senkrecht bis auf 50 m Tiefe ab. Genau dorthin begeben wir uns, um am Meeresboden auf die Suche nach einem sehr skurrilen Meeresbewohner zu gehen: Die Rotlippen-Seefledermaus (engl.: Redlip Batfish) sitzt normalerweise auf ihren Vorderflossen am Meeresgrund und sieht mit seinem langen Horn am Kopf so aus, als wär er im Stadion in den falschen Fanblock geraten. Dazu völlig unpassend sind seine knallroten Lippen, die ihm im Taucherjargon auch den Namen "Schlampenfisch" eingebracht haben. Leider suchen wir aber vergeblich nach diesem nur im Ostpazifik beheimateten Fisch. Dafür beobachtet währenddessen ein äußerst neugieriger Leopardenbarsch unser Treiben. Eine Zeitlang erwarte ich, dass er jeden Moment anfängt, mit mir zu näseln, aber so nah traut er sich dann doch nicht ran. Nach einigen Minuten verlassen wir die 50-m-Marke und bewegen uns 35 m höher. An der Wasseroberfläche tummeln sich einige Grunzerschwärme in der Brandung, die sich am Felsen bricht. Wir umrunden den Scuba ein Mal, haben aber leider kein Glück, was die erhofften Haibegegnungen angeht.

Schweinewetter am "Vagamares"-Felsen Für Tauchgang Nummero zwei geht es kurz um die Ecke (gut: bei einer Insel von 1,5 km Länge ist kein Tauchplatz richtig weit weg) zum Spot Vagamares. Dieser Felsen, der keine 30 m neben der Hauptinsel steht, ist von einem Tunnel durchzogen, in dem sich bei unserer Ankunft einige Weißspitzenriffhaie und Dutzende Ozelot-Zackenbarsche tummeln. Nach Durchqueren des Tunnels biegen wir Richtung Hauptinsel ab, werfen einen Blick ins Freiwasser und erfreuen uns der 40 Hammerhaie, die da in geschlossener Formation vorbeirauschen. An der nächsten Kreuzung biegen wir links ab und durchschwimmen den Arco del Tropic. Der riesige Torbogen durchbricht die Insel hier sowohl über als auch unter der Wasseroberfläche. Am Ausgang des Tunnels erwarten schon große Schnapper-, Barben- und Grunzerschwärme ungeduldig unsere Ankunft. Zurück auf dem Boot erzählt Irena, eine unserer vier Slowenen, dass auf sie noch etwas ganz anderes am Ausgang gewartet hat: Ein Walhai zog seelenruhig den Kanal zwischen Hauptinsel und dem Vagamares-Felsen entlang, grmpf. Etwas zerknirscht sind wir ja schon, dass wir ihn nicht auch gesehen haben, aber wie für die Wale gilt auch hier: schon mal gut, dass sie da sind.

Video: Haie an Vagamares [00:37 min], © Sylvia Maisser
Video: Fischschwärme an "Vagamares" [00:54 min], © Sylvia Maisser

Für den Nachmittagstauchgang geht es wieder an die Südspitze zum Spot La Gringa, ebenfalls ein alleinstehender Felsen, hundert Meter von Scuba entfernt. Trotz der auch heute nicht vorhandenen Strömung hoffen wir noch auf Großfischbegegnungen im Blauwasser. Letzteres ist aber auch das einzige, was wir auf diesem Tauchgang sehen, sieht man mal von dem mittelprächtigen Gelbflossenthun beim Safety-Stop ab. Schade, ist aber nun mal kein Zoo hier.

Tag 10: DO, 14.08.

Die morgendliche Strömungscheckprozedur macht uns gleich zu Tagesbeginn etwas nervös: immer noch komplette Flaute heute. Da sich bei der vorangegangen Tour La Nevera als der momentan beste Platz für Hammerhaibegegnungen erwiesen hat, beginnen wir dort den Tag. Der erste morgendliche Tauchgang ist normalerweise derjenige mit den besten Hammerhaibegegnungen, aber an diesem Morgen treffen wir leider auf wenig Aktivität. Nur ein paar vereinzelte Hämmer lassen sich blicken, ansonsten ist ziemlich tote Hose.

Etwas mehr los ist auf dem 2. Tauchgang, der uns wieder zum Altair de Virginia führt, wo wir den riesigen, stationären Schnapper- und Barrakudaschulen einen neuerlichen Besuch abstatten. Interessant zu beobachten sind auch die jagenden Bernsteinmakrelen, die immer wieder in den Schnapperschwarm hineinstechen und versuchen, Beute zu machen. Beim Sicherheitsstopp fliegt zur Abrundung dieses Tauchgangs noch ein Mobula unter unseren Füßen vorbei.

Video: Jordan-Schnapper am Altair de Virginia [01:36 min], © Sylvia Maisser
Video: Mobula am Altair de Virginia [00:24 min], © Sylvia Maisser

Auch für den dritten Tauchgang fahren wir zu einem schon bekannten Platz, nämlich zu den Tres Mosqueteros. Diesmal konzentrieren wir uns gleich auf die Südseite und suchen den schmalen Spalt, der sich komplett durch den mittleren der drei Musketiere zieht. Nach kurzer Suche werden wir auch fündig und schrecken bei unserem Durchmarsch einige Dutzend Schnapper und Ozelot-Zackenbarsche auf, die sich hier genauso dezent versteckt halten, wie einige Trompetenfische. Wir lassen den Tauchgang am Westende ausklingen, wo im Blauwasser noch einige Regenbogenrenner vorbeiziehen. Zurück auf der Inula kriegen wir Besuch: Eine Seeschwalbe hat sich auf dem Dach niedergelassenund beobachtet interessiert die Umgebung. Unsere vorsichtigen Annäherungsversuche nimmt sie wohlwollend zur Kenntnis, bis sie es sich schließlich in Sylvias Händen bequem macht. Uns kommt diese Zutraulichkeit schon etwas merkwürdig vor, aber eine Verletzung ist nicht zu erkennen. Zwei Tage lang bleibt die Schwalbe bei uns auf dem Boot, bis sie sich schließlich zurück zur Insel zu ihren Artgenossen begibt.

Irgendwie ist mir nach den 3 Tauchgängen heute doch noch nach Nachttauchen zumute, also springe ich entgegen aller guten Vorsätze nach Einbruch der Dunkelheit nochmal am Ghost Face ins Wasser und lasse zwei Damen mit knurrendem Magen und etwas knurrigem Gesicht auf dem Boot zurück - das Abendessen muss warten und Hunger macht schlechte Laune. Der Tauchgang ist ganz hübsch, aber nichtsdestotrotz relativ unsinnig: "Nothing you couldn't see during the day" notiere ich in mein Logbuch. Ich schließe allerdings nicht aus, dass ich einfach die Augen nicht richtig aufgemacht habe ...

Tag 11: FR, 15.08.

Tag 5 auf Malpelo bringt leider immer noch keine Verbesserung, was die Großfischbedingungen angeht, von kachelnder Strömung sind wir weit entfernt, wenn es auch gegenüber gestern etwas besser geworden ist. Dementsprechend hat es morgens an La Nevera schon etwas mehr Hammerhaie als gestern, aber von "hautnahen" Begegnungen kann auch heute nicht die Rede sein. Nett sind allerdings immer wieder die Adlerrochen hier, heute zieht gleich eine Formation aus sieben Individuen ihre Kreise um uns. An David schmeißen wir uns an Tauchgang 2 wieder ins Blauwasser. Wir sichten einige vereinzelte Hammerhaie und kurz auch eine Gruppe von ca. 50 Tieren. Na, geht doch! Beim Sicherheitsstopp fliegen plötzlich nochmal 20 Stück wie aus dem Nichts und von der Tarantel gestochen an uns vorbei, holla die Waldfee. Die drei Wahoos, die minutenlang unter der Wasseroberfläche rumdümpeln, sind noch eine willkommene Zugabe. Nachmittags geht's mal wieder zu einer bisher noch nicht besuchten Site mit dem Namen La Pared del Naufragos. Der Platz liegt gerade noch in Sichtweite der Inula an der Nordwestseite Malpelos. Die ersten 30 Minuten lang erfreuen Skorpionsfisch Die Inula an der Mooring wir uns am vielen Blauwasser. Dann verdunkelt ein großer Schatten plötzlich die Szenerie. Gespannt schauen wir nach oben: Buckelwal? Walhai? Äh nein, unverkennbar zeichnet sich der Doppelrumpf der Inula an der Wasseroberfläche ab. Ob das jetzt so geplant war? Wie auch immer, per Kompasskurs geht's weiter Richtung Bajo Monstruo, wo wir den Rest des Tauchgangs mit Blauflossen-Stachelmakrelen, Ozeloten, Muränen, Igelfischen und ähnlichem Kleingetier abhängen und die Zeit nutzen, ein paar Bojensetzübungen durchzuführen.

Video: La Nevera, die 1. [00:29 min], © Sylvia Maisser

Tag 12: SA, 16.08.

Zum Tagesauftakt versenken wir uns am Altair de Virginia auf 45 m, da es auch hier ab und zu mal die Rotlippen-Seefledermaus haben soll. Wie schon vor zwei Tagen suchen wir aber auch heute vergeblich. Auch sonst gibt's heute nichts zu sehen, was wir hier nicht auf den vorangegangenen Tauchgängen schon hatten. Dasselbe gilt für Tauchgang 2 an La Nevera: nur vereinzelte Hammerhaie, ein paar Galapgoshaie und einige Adlerrochen im Formationsflug, weswegen wir in der 2. Hälfte des Tauchgangs zur Makrofotografie übergehen und uns darin versuchen, die winzigen Barnacle Blennies, die sich in den Seepocken verstecken, sowie den Langnasen-Büschelbarsch, der sich immer in der einsamen Koralle, die auf der Terrasse steht, formatfüllend auf Pixel Ein leider ziemlich verwackelter 4 m-Walhai. Jaaa, so haben wir uns das erhofft! zu bannen. Zurück auf der Inula bauen wir einigermaßen uninspiriert unsere Ausrüstung auseinander und begeben uns Richtung Mittagstisch, die ersten beiden Tauchgänge waren leider ausgesprochen mittelmäßig. Plötzlich schallt vom Tauchdeck laut der Ruf "Whaleshark!" nach vorne. So schnell wie in dem Moment, hab ich noch nie meine Kamera zusammengebaut, dann ratzfatz die Flossen an und rein ins Wasser. Nur Sylvia war noch schneller, Umziehen überflüssig. Wie auf dem Präsentierteller kommt der junge Walhai dann auf uns zu, haut mit dem Kopf erstmal gegen Sylvias Kamera und zieht dann eine Armlänge entfernt an mir vorbei. Und schon schlägt die Laune innerhalb weniger Sekunden von "na ja, ok" in "Wie geil ist das denn?" um und wir kriegen für den Rest des Tages das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.

Video: Walhai an der Inula [00:20 min], © Sylvia Maisser

Eine Rotlippen-Seefledermaus wie aus dem Schminkkasten Ein Mal müssen wir aber noch ran heute, an den drei Musketieren lassen wir den Tag ausklingen. Diesmal springen wir südlich der Felsen direkt neben D'Artagnan ins Wasser und lassen uns direkt auf 40 m zum Meeresboden sinken, weil Arvid bei den heutigen Strömungsverhältnissen eine große Schule Roter Schnapper hier erwartet. Als ich als Letzter unten ankomme, sind die anderen schon in heller Aufregung: Da isser! Mit Adleraugen hat Sylvia tatsächlich die einzige Rotlippen-Seefledermaus weit und breit entdeckt. Scheint wie mit Herpes zu sein, wenn man mal grad keinen braucht, ist einer da. In der Folge muss sich das arme Tier einem zehnminütigen Blitzlichtgewitter erwehren, ich fürchte, es hat anschließend eine Zeitlang erstmal nur Sterne gesehen. Als der Computer lange genug gepiept hat, steigen wir auf 15 m auf und geraten mitten unter die angekündigten Roten Schnapper. Tonnen von ihnen wuseln um uns herum, dazu noch hunderte Großaugen-Stachelmakrelen und einige Bernsteinmakrelen, sowie jede Menge kleines Fischgetier. Ich weiß gar nicht, wo ich hingucken soll, also schaue ich nur verträumt in die Gegend und lasse die Kamera mitlaufen. Als ich wieder zu mir komme, bin ich alleine, kein Mittaucher ist weit und breit mehr zu sehen. Rechts zieht eine Felswand an mir vorbei, links auch. Ups, offensichtlich treibe ich gerade zwischen den Musketieren durch Richtung Norden, nächster Stopp Panama. Großaugen-Stachelmakrelen, so weit das Auge reicht. So weit will ich eigentlich nicht schwimmen, also setze ich die Boje und tauche nach schlappen 30 Minuten auf. Oben wartet schon das Schlauchboot und sammelt mich ein, perfekte Organisation halt auf der Inula. In den folgenden 30 Minuten genieße ich eine entspannte Seefahrt, während der Rest der Gruppe 20 m tiefer noch eine halbe Stunde lang bis zum Erbrechen gegen die Strömung paddelt, ohne noch etwas Herausragendes zu sehen. Daher halten sich meine Depressionen wegen des zwangsweise verkürzten Tauchgangs auch ziemlich in Grenzen.

Video: Stachelmakrelen an den Musketieren [00:59 min], © Sylvia Maisser
Video: Adlerrochen an den Musketieren [00:52 min], © Sylvia Maisser

Tag 13: SO, 17.08.

Die Orangenschalen driften heute leicht vom Rumpf der Inula weg, es sieht endlich nach etwas Strömung aus. Also probieren wir es morgens nochmal an La Nevera. Wir verteilen uns schön einzeln entlang des Hanges, um die Haie möglichst nicht zu verschrecken. Tatsächlich kommen auch einige aus der Tiefe ganz langsam den Hang herauf, während sie sich von einer Horde Kaiser- und Falterfischen die Parasiten von der rauen Haut fressen lassen. Spätestens 5 m vor uns drehen sie aber immer ab, dies scheint ihr Wohlfühlabstand zu sein. Im trüben Blauwasser, der in 30 m Tiefe hier schon fast in ein Schwarz übergeht, ziehen zudem noch vereinzelt Hammerhai-Kleingrüppchen vorbei. Einige Adlerrochen und eine große Schule Bonitos beim Sicherheitsstopp runden diesen prima Tauchgang ab. Für den 2. Tauchgang springen wir nach einigen Diskussionen an David ins Wasser, in der Hoffnung, nochmal auf eine große Hammerhaischule zu treffen, wie vor ein paar Tagen. Diesen Gefallen tun uns die Knorpelfische leider nicht, eine Stunde lang sehen wir viel blaues Wasser. Also kehren wir für den Tagesabschluss wieder an den bewährten Kühlschrank zurück. Diesmal postieren Sylvia und ich uns nicht an den Putzerstationen, sondern hängen an der Steilwand einfach im Blauwasser ab in der Hoffnung, dass uns die Strömung vielleicht etwas Großes vor die Pupillen treibt. Wir warten genau 2 Minuten, als plötzlich mehrere Dutzend Schatten vor uns auftauchen. Jaaaaa, was für ein Anblick! Eine Hundertschaft Hammerhaie zieht vorbei, also starten wir den Turbo und versuchen parallel mit ihnen mitzuschwimmen. Das gelingt für ziemlich genau zwei Minuten, bevor die Armada genug von der Begleitung hat und sich Richtung offener Ozean verabschiedet. Danach brauche ich erstmal zwei Minuten, um meinen 200er-Puls wieder in den grünen Bereich zu kriegen. Während des restlichen Tauchgangs sehen wir noch 2x eine etwas kleinere Gruppe, langsam scheint Malpelo in Fahrt zu kommen.

Video: Hammerhaischule vor La Nevera [01:02 min], © Sylvia Maisser
Video: ...und noch mehr Hammerhaie [01:21 min], © Sylvia Maisser

Tag 14: MO, 18.08.

Zur Abwechslung lässt sich heute mal wieder die Sonne blicken, nachdem es an den letzten Tagen durchgehend trüb und regnerisch war. Arvid schlägt aufgrund des guten Wetters vor, heute die Inselbesichtigung zu machen. Hierfür muss er die Genehmigung des kolumbianischen Militärpostens einholen, auf dem vier Soldaten ein vermutlich etwas tristes Dasein am Arsch der Welt fristen. Eigentlich sollen sie hier die Einhaltung des Fischereiverbots im Marineschutzgebiet um Malpelo kontrollieren. Wie man das allerdings ohne Boot macht, ist mir etwas schleierhaft. Die Erlaubnis wird erteilt, allerdings müssten wir für den Besuch auf den ersten Tauchgang des Tages verzichten. Die Kletterpartie über die Strickleiter, die die einzige Möglichkeit ist, die Insel zu betreten, und der anschließende steile und anstrengende Aufstieg erhöhen nämlich die Gefahr eines Deko-Unfalls, wenn man diese Tour nach dem Tauchen unternimmt. Das lässt Arvid 48 Stunden von der nächsten Druckkammer entfernt natürlich nicht zu.

Nach einigem Zaudern entschließe ich mich schließlich, auf die Inseltour zu verzichten und stattdessen mit Sylvia und Irena an La Nevera ins Wasser zu hüpfen, während Borut, Oskar und Mariam der Tölpelkolonie auf der Insel einen Besuch abstatten. Der letzte Tauchgang gestern war einfach zu genial, irgendwie haben wir das Gefühl, dass wir ansonsten etwas verpassen könnten. Zuerst sieht es allerdings nicht danach aus, 30 Minuten lang passiert gar nichts. Wir verlassen unseren Posten an der Steilwand, streunen ein bisschen am Hang entlang und verteilen uns unter Missachtung des Buddy-Systems in 15-m-Abständen auf dem Hang. Von unten nähert sich mir langsam ein einzelner Hammerhai, der von ein paar Kaiserfischen geputzt wird. Er passiert die 5-m-Wohlfühlgrenze und wird wohl gleich abdrehen, denke ich. Noch 4 m, er schwimmt weiter auf mich zu, scheinbar ohne von mir Notiz zu nehmen. Noch 3 m, noch 2 m, hallo? Noch 1 m, blind oder was? 30 cm vor meinem Gesicht zieht er schließlich vorbei, ohne mit der Flosse zu zucken. Dass ich da hocke, interessiert ihn überhaupt nicht. Und auf einmal tauchen sie aus allen Löchern auf, einige Dutzend Hammerhaie kommen aus der Tiefe den Hang rauf geschwommen, lassen sich putzen und schwimmen uns um die Nasen. Ich blicke zu Sylvia hinüber, die nur die Hände überm Kopf zusammenschlägt und fassungslos mit dem Kopf schüttelt, während 30 Hammerhaie um sie rumwuseln. Die Show dauert 10 Minuten, dann sind die Haie offensichtlich sauber und verziehen sich wieder in tiefere Gefilde. Wir folgen ihnen, postieren uns bei 30 m und schauen noch 5 Minuten dem Treiben da unten zu, wo 50 Hammerhaie fröhlich hin- und herschwimmen. Wir sind kaum zurück auf dem Schlauchboot, da bricht Sylvia mit den Worten "Das war der beste Tauchgang meines Lebens" in Tränen aus. Das ist doch mal 'ne Aussage von einer Tauchlehrerin mit über 2000 Tauchgängen! Selbst als wir zurück auf der Inula sind, kann sie sich noch gar nicht beruhigen und braucht eine halbe Stunde, um wieder runterzukommen. Schade, dass Tauchen und Alkohol sich nicht vertragen, ein Beruhigungsschnaps wäre jetzt genau das Richtige.

Video: La Nevera, die 2. [00:40 min], © Sylvia Maisser

Nachdem sich die Gemüter auch ohne Hartalkohol einigermaßen beruhigt haben, geht es mittags an Vagamares weiter. Wir hoffen etwas auf stationäre Walhaie, suchen diese Spezies jedoch vergebens. Im Tunnel hat es wieder einige Weißspitzen und Tonnen Ozelot-Zackenbarsche, am Ausgang des Arco del Tropic stehen wieder Fischschwärme herum. Nichts Neues also hier. Nach dem Mittagessen macht es sich jeder auf seine Weise bequem, als plötzlich eine Buckelwal-Kuh ein paar Meter vor der Inula ihren Kopf aus dem Wasser streckt, uns kurz beäugt und mit ihrem Kalb dann direkt neben dem Boot abtaucht. Reizend! Zum Tagesabschluss besuchen wir nochmal den Unterwasserfelsen Bajo Suani, um den wieder haufenweise große Stachel- und Bernsteinmakrelen sowie Rote Schnapper kreisen. Nach dem Tauchgang versuchen wir nochmal 25 Minuten lang unser Glück beim "Silky Splashing" an der Oberfläche, es lässt sich jedoch kein Fitzelchen Seidenhai sehen. Wahrscheinlich ist denen das Wetter hier oben auch einfach zu schlecht, fies trüb uns regnerisch ist es am Nachmittag geworden. Während des Wasserklatschens treibt uns die Strömung einige Kilometer von der Insel weg und zeigt uns nochmal, wie wichtig es vor Malpelo ist, Gruppe und Boot nicht zu verlieren.

Video: Vagamares, die 2. [00:20 min], © Sylvia Maisser
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