August 2008
Nur noch 2 Tage, der Abschied von Malpelo rückt unerbittlich näher. Natürlich heißt es zum Start in den Tag wieder "Auf nach La Nevera!". Viel ist heute jedoch nicht los, ganz anders als gestern Morgen präsentiert sich der Platz. Nur ein paar einzelne Hammerhaie, Weißspitzen und Galapagoshaie lassen sich zu Beginn blicken. Beim Safety Stop lassen wir uns ins Blauwasser treiben und sehen dabei immerhin noch den gestern vermissten Seidenhai, der sich gerade von einer Horde Regenbogenrenner beackern lässt. Bei der Rückkehr auf die Inula stellen wir fest, dass wir Besuch haben. Einige Besatzungsmitglieder des Boots der kolumbianischen Marine, welches am frühen Morgen eingetroffen ist, sind an Bord gekommen. Arvid hat sich bereit erklärt, ihnen bei der Verstärkung der Moorings zu helfen, die in der Vergangenheit wohl etwas in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Während unserer Tauchpausen wird daher fleißig unter Wasser gearbeitet.
Für den 2. Tauchgang geht es erneut zum Kühlschrank, es ist jedoch noch weniger los als am Morgen. Den ganzen Tauchgang über sehen wir überraschenderweise nicht eine einzige Haiflosse. Dafür fliegt ein großer Pazifischer Manta vorbei, leider ist das jedoch nur ein äußerst kurzes Vergnügen. Am Nachmittag soll die Mooring repariert werden, an der die Inula gerade festgemacht hat, weswegen wir einen Stellungswechsel vollziehen und 100 m vor der Küste am Altair de Virginia ankern. Da wir nun schon mal hier sind, können wir auch gleich von der Inula ins Wasser hüpfen und durchs Blauwasser rüber zum Riff tauchen, was wir dann auch tun. Wir wollen es uns gerade in 50 m Tiefe gemütlich machen, als ich auf meine Kamera schaue und einen Herzinfarkt kriege. Das Gehäuse ist randvoll mit Wasser, heul. Dies wird wohl das ultimative Lebensende meiner TZ3 sein, die doch noch so jung an Lebensmonaten ist. Natürlich starte ich trotzdem einen Rettungsversuch und so trennen wir uns nach kurzer Diskussion. Mit der Strömung brauche ich keine 3 Minuten zurück zur Inula, nur die 10 Minuten Deko, die ich noch unterm Boot absitze, kann ich jetzt gerade gar nicht brauchen, aber Safety first. Beim Öffnen des Gehäuses sehe ich schon, dass hier nichts mehr zu retten ist. Etwas deprimiert rödel ich mich wieder an und tauche zum Riff rüber, wo ich ewartungsgemäß den mit und mal ohne Models. Irgendwie fühle ich mich ja jetzt schon etwas nackt, aber so weit, dass ich ohne Kamera gar nicht erst ins Wasser springe, wie einige unserer slowenischen Kollegen, bin ich noch lange nicht. Am Abend wird der Kummer über den schmerzlichen Verlust jedenfalls in einer gebührenden Anzahl Balboas ertränkt - für jeden Lebensmonat eine Dose.
Rest der Truppe am Ghost Face vorfinde, vor dem sich wie üblich der riesige Barrakudaschwarm aufhält, der von unseren Fotografierprofis wieder in allen Lebenslagen abgelichtet wird - malDas Ende naht, unser letzter Tauchtag vor Malpelo ist angebrochen. Und wieder geht es zu La Nevera, unserem Standard-Hammerhaispot auf dieser Tour. Und wie schon gestern ist auch heute 60 Minuten lang nichts los, immer verglichen natürlich mit den Top-Tauchgängen, die wir hier an Tag 13 und 14 hatten. Wie gestern hat es auch heute nur vereinzelt Hammerhaie, einige Weißspitzen und Galapagoshaie, die Adlerrochen beachten wir ja schon fast nicht mehr. Etwas enttäuscht hängen wir auf 5 m am Sicherheitsstopp, ich im Blauwasser, Sylvia 15 m entfernt am Riff. Ich träume vor mich hin, drehe ich mich gelangweilt nach rechts - und bin auf einmal hellwach. Fünf Meter vor mir kommt das breiteste Grinsen der Welt auf mich zu. Ich drehe mich Richtung Sylvia, die nur aufs Riff starrt und nichts mitkriegt, und versuche durch albernes Geräuschemachen, sie auf den herannahenden Walhai aufmerksam zu machen - leider erfolglos. "Leider" für sie, denn da es niemandem etwas bringt, wenn ich auch nichts sehe, lasse ich Buddy Buddy sein und schwimme neben dem 4-5 m kleinen Jungtier her. "Schwimmen" ist etwas geschönt, denn so langsam die Bewegungen dieses Brockens auch aussehen, so erreicht er damit doch spielend Geschwindigkeiten, denen Taucher nicht mehr folgen können. Zwei Minuten lang schaffe ich es, Auge in Auge mit ein paar Metern Abstand neben ihm herzuspurten und bringe dabei die Pumpe zum Anschlag. Als der Walhai verschwunden ist, drehe ich mich nach Sylvia um, die mir langsam entgegengeschwommen kommt und mit Sicherheit schon ahnt, dass sie da gerade etwas Außergewöhnliches verpasst hat. Als sie mich fragend anschaut, halte ich die Hand senkrecht über den Kopf und anschließend die Arme so weit auseinander, wie ich angesichts meiner beschränkten Reichweite von 1,71 m nur kann: "Hai, groß". Gestenreich deutet sie stirnrunzelnd kleine Punkte auf der Haut an. Als ich darauf nur nicke, streckt sie mir freundlich das internationale Handzeichen für "Verlasse bitte schnellstens mein unmittelbares Blickfeld!" entgegen, welches ich mit dem zweitbreitesten Grinsen der Welt beantworte. Für weitere Diskussionen bleibt keine Zeit, denn auf einmal zieht 3 m neben uns der eben entschwundene Walhai wieder vorbei und schwimmt in die Richtung zurück, aus der er gerade gekommen ist. Wie geil ist das denn, ist heute Weihnachten, oder wie? Diesmal können wir ihm beide im Eiltempo fur kurze Zeit folgen, bis er sich Richtung Südspitze verabschiedet. Ich verabschiede mich ebenfalls, allerdings Richtung Wasseroberfläche, weil mich diese letzten beiden Spurtaktionen den letzten Rest Luft gekostet haben. Von oben beobachte ich Sylvia, die noch unten bleibt und hofft, dass Mister Big noch ein weiteres Mal zurückkommt. Dass dies eine hervorragende Entscheidung ist, zeigt sich nur drei Minuten später: Es ist unfassbar, aber tatsächlich taucht von Süden her noch ein Walhai auf, der mit 6-7 m deutlich größer als der erste ist. Irgendwo muss hier ein Nest sein. Wieder folgen wir dem Meister, ich an der Oberfläche, Sylvia direkt neben ihm in 15 m Tiefe. Als auch dieser Walhai verschwunden ist, klettern wir mit 20 Minuten Verspätung ins Schlauchboot, auf dem schon die vier Kollegen warten, die leider nicht so erfolgreich waren wie wir.
Video: Walhaie vor La Nevera [01:47 min], © Sylvia MaisserÄußerst gut gelaunt springen wir drei Stunden später zu unserem vorletzten Malpelo-Tauchgang am Altair de Virginia ins Wasser. Oskar und Borut wollen nochmal die Barrakuda-Schule ablichten und dabei auch den ein oder anderen Mittaucher stimmungsvoll in die Bildkomposition einbauen. Ich hänge derweil etwas im Blauwasser ab und schaue dem Fotografiertreiben der Kollegen zu, schaue mal hier, gucke mal da und habe ein Déjà-vu. Wie schon vorhin schwimmt mir genau auf meiner Höhe frontal ein Walhai entgegen. Diesmal haben es alle mitgekriegt und schon beginnt die Hatz auf das Tier, dass das Blitzlichtgewitter klaglos über sich ergehen lässt. So kommen am Ende der Tour doch noch alle Teilnehmer auf ihre Walhai-Kosten. Ich bin etwas baff, sechs Jahre lang habe ich auf den nächsten Walhai gewartet und dann sehe ich gleich vier an einem Tag. Genial! Der Rest des Tauchgangs vergeht mit haufenweise Adlerrochen, niedlichen Baby-Weißspitzen und all den vielen schönen Korallen und Fischlein am Ghost Face wie im Flug.
Video: Walhai am Altar [00:48 min], © Sylvia MaisserDer Malpelo-Abschluss muss natürlich ein Tauchgang an La Nevera sein - Ehre, wem Ehre gebührt. Jeglicher Großfisch hat aber sein Tagwerk eingestellt und so bleibt es am Ende bei einer Schule Gelbflossen-Thunas, die vom Stadium des Ausgewachsenseins allerdings noch ein gutes Stück entfernt sind. Sofort nach Beendigung des Tauchgangs setzen wir die Segel und müssen uns schweren Herzens von Malpelo verabschieden. Trotz der ungewöhnlich ungünstigen Strömungsverhältnisse hatten wir doch viele super Großfischbegegnungen hier. Schon bald dämmert es und Malpelo verschwindet am Horizont aus unserem Blickfeld.
Heute ist wieder ausschließlich Fahrerei angesagt. Eigentlich wollten wir nach Panama zurücksegeln, aber der aufkommende Gegenwind, der um diese Jahreszeit hier ebenfalls überhaupt nicht hingehört, macht uns einen Strich durch die Rechnung. Also wird wieder der Diesel angeworfen und die entspannte Ruhe hat ein Ende. Zum Glück findet sich in der Bordbibliothek noch genug Lesematerial, mit dem sich der Tag totschlagen lässt.
Wegen des Gegenwinds erreichen wir verspätet panamaische Gewässer, sodass nur noch Zeit für einen Tauchgang bleibt statt der geplanten zwei. Arvid wählt den Platz Ladrones South als Abschiedstauchgang, einen seiner Lieblingsplätze in der Gegend. Warum dies so ist, sehen wir unter Wasser. Nadelspitzenartig
erhebt sich ein Plateau aus dem Dunkel bis in 16 m Wassertiefe. Um den Felsen herum kachelt glücklicherweise ordentlich die Strömung, nur leider ist die Sicht deutlich schlechter als um Malpelo. Das tut der Freude über die riesige Schule Baby-Hammerhaie, die 2x an uns vorbeizieht, aber keinen Abbruch, mindestens 100 Exemplare dürften es sein. Scheint so eine Art Kinderstube zu sein, wenn sie erwachsen sind, machen sie sich wohl auf Richtung Malpelo. Auch sonst tobt um den Felsen das Leben, wobei die Hunderte Großaugen- und Blauflossen-Stachelmakrelen, die im Schwarm um den Felsen herumdümpeln, herausragen. Ein brillianter Tauchgang und würdiger Abschluss einer tollen Tauchsafari.gemeinsame Abendessen kümmern, der Magen knurrt schon verärgert. Nach dem Essen geht's zur Abschiedsparty noch in diverse David'sche Clubs. Ich hab's ja mehr mit Punk, aber ich kann mir auch Unangenehmeres vorstellen, als anderen - bevorzugt weiblichen - Menschen dabei zuzugucken, wie sie zu Merengue die Hüften schwingen ...
Am frühen Abend erreichen wir den Hafen von Pedregal, können aber leider nicht direkt von Bord, da wir ja mit der Überfahrt nach Malpelo nach Kolumbien ausgereist sind und nun erst wieder nach Panama einreisen müssen. Zwei Stunden dauert es, bis drei Kollegen der Behörden auf dem Boot eintreffen und eine weitere, bis der Papierkram erledigt ist. Dann können wir endlich von Bord und uns um dasDas Unschöne an Fernreisen ist immer der Rückweg. Eigentlich ist die Tour vorbei, aber wir benötigen trotzdem noch zwei Tage, um nach Hause zu kommen. Wird Zeit, dass endlich das Beamen erfunden wird. An Tag 1 der Rückreise verabschieden wir uns, nachdem wir unseren Rausch ausgeschlafen haben, erstmal von unseren Slowenen, die über Costa Rica, Spanien und Italien zurück in die Heimat fliegen - auch 'ne Ochsentour. Wir machen uns zwei Stunden später auf den Weg und hüpfen mit Aeroperlas zurück nach Panama City, wo wir einen weiteren Nachmittag und Abend totschlagen, was allerdings bei Pizza, Atlas-Bier und Review der Malpelo-Videos eine ziemlich kurzweilige Angelegenheit ist.
Um 5 Uhr in der Früh ist die Nacht vorbei, pünktlich steht unser Shuttle vor der Tür und karrt uns zum internationalen Flughafen, wo 3 Stunden später unsere Maschine Richtung Atlanta abhebt. Dort erwartet uns die gleiche Fingerabdruck-Prozedur, wie schon auf dem Hinweg. Da heute aber in Atlanta überhaupt gar nichts los ist, brauchen wir keine 5 Minuten, um die Immigration zu passieren. Nach weiteren 4 Stunden muss ich mich leider von dem lustigsten Buddy verabschieden, mit dem ich in den letzten 5 Jahren abgetaucht bin. Nachdem Sylvia in den Flieger nach Frankfurt gestiegen ist, erwische ich als vorletzter Passagier gerade noch meine Maschine nach Düsseldorf, wo ich 9 Stunden später um kurz nach 7 Uhr morgens lande. Keine 3 Stunden später sitze ich schon wieder an meinem Schreibtisch in Köln und sinniere mit kleinen Äuglein noch ein wenig über eine Hammertour nach, bevor mich der Arbeitsalltag wieder einholt.
Fazit: Obwohl wir viel Pech mit Wetter- und Strömungsbedingungen hatten, hat sich Malpelo als Traumziel erwiesen, obwohl ich glaube, dass es bei optimalen Bedingungen noch etwas traumhafter sein kann. Die Hammerhaie waren bis auf wenige Ausnahmen doch scheuer, als ich sie ein halbes Jahr zuvor auf Galapagos erlebt habe, was man allerdings getrost als "Jammern auf hohem Niveau" verbuchen kann. Dafür waren die Walhaie, Wale und Fischschwärme auf Malpelo granatenstark. Wenn man mich fragte, ob ich lieber nochmal Galapagos oder lieber nochmal Malpelo machen würde, könnte ich keine Antwort geben. Beides sind Topziele und immer eine Reise wert.